Podcasts in der Pubertät

Was ist denn jetzt los mit diesen ganzen Podcasts? Wo kommen sie her, wo gehen sie hin, was soll der Hype?

Naja: Es gibt ein relativ neues Medium, das bei genauer Betrachtung a.) gar nicht so neu ist und b.) noch längst nicht da angekommen ist, wo sich die etablierten Medien längst befinden (und von wo sie sich, je nach Sichtweise, gerade langsam oder schneller wieder verabschieden).

Das Dilemma liegt aber nicht in der mysteriösen Liebe der Menschen zu schnellen Labeln und schwarz-weißen Einordnungen (wie z.B. „Hype“), sondern das Dilemma liegt darin, dass das Medium Podcast quasi mitten in der Pubertät steckt.

Da werden die wildesten Dinge ausprobiert, da werden Normen und Werte getestet, herausgefordert, deklamiert und revidiert. Da regiert der Wildwuchs, das Wunschdenken, der Wahnsinn. Das Dilemma ist, dass von diesem pubertierenden Medium aber schon echt erwachsene Ding erwartet werden.

Dem Podcast fehlt, womit wir alle aufgewachsen sind, und das macht’s für viele Etablierte so schwer: allgemeingültige Regeln, die man einfach nur anwenden muss und schon ist alles gut.
In 10 Jahren wird es die vielleicht geben: Regeln zu Länge, Aufbau und Erzählweise. Zu Sprecherinnen und Sprechern, Themen und Vermarktungsansätzen. Man wird viel mehr „wenn – dann“ -Wissen gesammelt haben, und wer eine bestimmte Zielgruppe, eine bestimmte Schicht oder Menschen in einer bestimmten Gegend ansprechen will, der wird so etwas wie einen groben Korridor haben, in dem er wahrscheinlich nicht ganz daneben liegt – so ein bisschen wie beim berühmten (privaten) 1:30er- oder (öffentlich-rechtlichen) 2:30er-Beitrag im Radio: Wenn er gut ist, dann ist er gut – und wenn er schlecht ist, dann ist er bald vorbei.

Wie so oft hilft auch beim Thema Podcast-Pubertät der Blick über den eigenen Tellerrand. Lassen wir uns mal kurz auf den Gedanken ein, dass Podcasts so etwas sind wie Youtube-Videos ohne Bild. Jeder kann hochladen, es sind viele Amateure am Werk, schlaue Unternehmen punkten dabei richtig gut, ein paar Einzelne gehen richtig durch die Decke (warum auch immer gerade die!), es braucht sowohl clevere Macher als auch cleveres Marketing für die Filme…so ganz weit sind die beiden user generated -Medien voneinander nicht entfernt. Video war halt früher dran: Klar, Video ist so viel sexier gewesen als Audio. Plötzlich kann die Welt mich sehen, es gibt die eine Plattform (youtube), wenn ich authentisch bin, finde ich mit viel Glück (und Verstand?) mein Publikum, und plötzlich wurden aus einstigen Einzelgängern die Stars der Generation Mediakraft.
Einer von ihnen durfte sogar die Kanzlerin interviewen – und scheiterte nach fachlichen old-school Maßstäben doch recht deutlich.

Podcasts sind da wo Youtuber und ihre Videos vor zehn Jahren waren: Viele machen einfach mal, einige etablieren sich, andere scheitern, wieder andere haben keine Lust mehr.

Von 70% der Podcasts weltweit existiert nur eine Folge, sagte Rob Walsh, COO des weltgrößten Podcast-Hosters Libsyn, 2019 beim Podcast Movement in Orlando. Gemessen daran wieviel unfassbar schlechter Müll auch heute auf Youtube hochgeladen wird (angeblich 300 Stunden Content pro Minute – im Durchschnitt!) sind die Zahlen für rohrkrepierende Podcasts geradezu putzig.

Der größte Fehler, den man in diesem Zusammenhang machen kann, ist, den anderen beim Machen erstmal zuzuschauen. Das Aufholen des Erfahrungsvorsprungs muss man später teuer bezahlen. Nein, Ausprobieren, fast zufällig Gewinnen und leidenschaftlich Scheitern ist das Gebot der Stunde: learning by burning, sozusagen. Wer sich heute eine Marke im Podcast konsequent aufbaut, diese frisch und ohne sich einen zu großen Kopf zu machen bespielt, der wird den Weg gehen, den auch die wirklich besten Youtuber gegangen sind, wie z.B. Phil Laude, Julien Bam, die Lochis und noch einige andere. Sie schafften das Crossover von Klassenclowns eines Mediums in der Pubertät zu echten Stars in Kino, Musik und Entertainment und machen heute Marken, Macht, und letztlich auch ordentlich Moneten.