Podcasts in werberelevanten Zielgruppen

Dem österreichischen Privatfernseh-Pionier Helmut Thoma wird zugeschrieben, die Mär von der „werberelevanten Zielgruppe“ erfunden zu haben. Und schon damals galt das erste Gesetz der Medienmacherblase: Je öfter und je lauter vor allem in Fachkreisen etwas Neues wiedergegeben wird, umso wahrer muss es sein. Hier konkret war es die Aussage: „Nur die Zielgruppe der 14 bis 49-jährigen Menschen ist für die Werbung relevant, denn nur diese Zielgruppe kauft letztlich das, was zuvor beworben wurde“.

Frustrierend ist daran vor allem, dass dieser geniale PR-Schachzug (Thoma wollte wohl seine gute Reichweite in diesem Alterscluster zur alles entscheidenden Währung hochjubeln, was ihm in großen Teilen auch gelungen ist), dass dieses Meisterstück der fake industry news also sich bis heute als eine Art unstrittige Binsenweisheit ins kollektive Glaubensbekenntnis aller Privatmedienmacher eingebrannt hat: Was nicht 14-49 ist, das ist Nische – und damit im Sinne der Masse nicht relevant.

Vielleicht stimmt das sogar: 14-jährige und 49-jährige haben, vorsichtig formuliert, in aller Regel echt wenig gemeinsam. Trotzdem wurden sie in einen gemeinsamen Topf geworfen. Der Logik der alten Massenmedien folgend macht das Sinn: Wenn es nur wenig Angebot gibt, ist der kleinste gemeinsame Nenner in der möglichst breiten Masse der Weg zum Glück – denn es gibt ja nicht viel anderes, außer abschalten. Aber, und das ist das Entscheidende: Diese Zeiten sind vorbei! Das Internet kennt kein Ende, es ist riesig und wird jeden Tag unermesslich größer. Wenn das ehemals knappe Gut der Verbreitungskapazitäten nicht mehr knapp ist, dann gibt es früher oder später für jede auch noch so spitze Zielgruppe ein quasi-optimales Angebot. Am Rande: Für optimal zugeschnittene Angebote ist auch die Zahlungsbereitschaft eine ganz andere. In letzter Konsequenz gilt auch die Logik des kleinsten gemeinsamen Nenners nicht mehr.

Auftritt Podcast, denn jeden Tag gibt es mehr davon: Wer soll das noch alles hören? Ganz einfach: Niemand! Hören soll und wird es nur, wer wirklich und genuin vertiefend am Thema bzw. seiner Aufbereitung und / oder den Personalities interessiert ist. Natürlich gibt es auch ein paar Podcasts die vergleichsweise viele Menschen erreichen, aber die Magie dieses Mediums entfaltet sich eben durch die Spezialisierung. Wer z.B. Tipps für gesundes Essen sucht wird selten von einem Radiosender so richtig gut abgeholt – egal wie gut dessen Kochsendung am Sonntag Abend ist. Bei Podcasts dagegen ist die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten (schon heute: oft mehrfach) abgebildet.

An der Stelle tun sich viele schwer, die bisher vor allem mit klassischen Massenmedien zu tun hatten: Masse ist nicht schlecht, weil sie diese spitzen „Zielgruppen“ (ich würde lieber von „Interessensgruppen“ sprechen) nicht profunde befriedigen kann. Aber Podcast kann das, und professionalisiert sich dabei in rasendem Tempo. Massenmedien machen andere Sachen wirklich gut, und vielleicht gibt es sie (je nach Definition von „Masse“) noch sehr lange.

Die Zukunft aber ist die spitze, optimal befriedigte Interessengruppe – die nicht zwingend riesig, aber extrem leidenschaftlich ist. Podcasts und ihr Erfolg aber sind der Beweis dafür, dass die Thoma’sche Doktrin von der (einzig) werberelevanten Zielgruppe bröckelt.

So richtig richtig war sie noch nie.