Spotifys Killer-Move: Podcasts mit Musik

Es ist eine mittlere Sensation, was Spotify da fast schon bescheiden verkündet, und vor ein paar Tagen auch hierzulande eingeführt hat: Podcasts mit Musik! Nicht mit irgendwelchem rechte-freien Gedudel, sondern mit veritablen Hits der Popmusik.

„60 songs that explain the 90s“ zum Beispiel: Eine hübsch produzierte, gut erzählte musikjournalistische Reise durch das Jahrzehnt in dem viele von uns – mancher meint leider – musikalisch geprägt wurden. Und neben ein paar eingestreuten Hooks zu Illustrationszwecken wird nach der Story der Titel auch ausgespielt, innerhalb des Podcasts, in voller Länge.

Die Sensation ist, Musik von Weltstars und großen Labels galt bisher als urheberrechtliche No-Go-Area des Podcastens. Viel zu teuer, die Genehmigung von Universal & Co. für die Nutzung von Top-Titeln einzuholen. Viel zu aufwändig, mit internationalen Konzernen über die Klärung von Rechten zur Verwertung zu verhandeln. Viel zu stressig, sich bestenfalls halb-legal durchzumogeln. Wer immer sich mit dem Gedanken trug, einen Podcast mit Hits der 80er, 90er usw. aufzupeppen (und seien wir ehrlich: so neu ist die Idee nicht), bekam sehr schnell einen virtuellen Klaps auf die Finger.
Und jetzt macht‘s auf einmal jemand einfach.

Podcaster eskalieren zwischen Jahrhundert-Durchbruch und Verrat am wahren guten Authentischen, die Radioszene hyperventiliert dem nächsten Weltuntergangsszenario entgegen. Wozu braucht man uns jetzt noch, wenn die Hits von gestern, heute und übermorgen auch im Podcast laufen dürfen?

Doch wie so oft im Leben lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Nicht irgendjemand macht’s, sondern es ist Spotify. Die größte Musikstreamingplattform der Welt – die inzwischen, je nach Lesart, mindestens auch die zweitgrößte Podcast-Plattform der Welt ist. Und die ist alles andere als unabhängig. Spotify befindet sich, das behaupte ich frech bis zum Beweis des Gegenteils, de facto in den Händen der Musikindustrie. Eben weil ohne die Rechte an den Songs der Stars gar nichts zu hören ist beim grünen Giganten.

Spotify ist bis heute in den allermeisten Ländern extrem defizitär. Gründer Daniel Ek suchte spätestens schon 2014/15 nach alternativen Medienangeboten, mit denen er zusätzliches Geld verdienen könnte, um aus der gnadenlosen Abhängigkeit von den Major Labels herauszukommen. Zuerst waren es Influencer-Videos, auf die Spotify setzte. Für viel Geld wurden auch in Deutschland Online-Video-Formate eingekauft, um Spotify auch als alternative Video-Plattform zu etablieren. Ein geradezu epochaler, extrem teurer Schuss in den Ofen.

Dann kamen Podcasts, und mit ihnen der Bedarf an einem plattformübergreifenden, neutralen Player jenseits von Apple. Und Spotify verstand sehr schnell, dass Podcasts rein technisch nichts anderes sind als Songs ohne die komplizierten Fragen nach Rechten. Man könnte sagen, Podcasts waren Spotifys letzte Chance. Und die haben sie genutzt. Heute sind Podcasts bei Spotify, auch graphisch und in den Menüs, der Musik ebenbürtig.

Uns jetzt also dieser Schachzug: Wer auf Spotify (bzw. durch die von Spotify gekaufte Kreatoren-App Anchor) seine Podcasts macht, der kann in den Podcasts Popmusik verwenden – angeblich steht das gesamte Archiv von über 25 Millionen Songs zur Verfügung.
Die Idee ist genial, denn jedwede Musik nutzen zu können, ist ein exklusiver und extrem attraktiver Vorteil für sehr viele Podcaster. Ein Vorteil, den man nur hat, wenn man bei und mit Spotify veröffentlicht – da können selbst Apple, Amazon, Deezer und Co. nicht mithalten.

Damit wird es für Podcaster immer sinnvoller und reizvoller, zuerst an Spotify zu denken wenn’s um die Frage geht, wo der Podcast stattfinden soll. Zugleich wird es immer sinnvoller und reizvoller, den Podcast nur noch bei Spotify zu veröffentlichen – denn bei den anderen geht das mit der Musik ja nicht. Zwei Versionen zu produzieren, das ist wohl keine Alternative.

Es geht ums Geld, natürlich. Die Frage der Plattform ist immer auch die Frage der Vermarktung, wie uns Google, Facebook & Co. immer wieder vor Augen führen. Wer die Plattform besitzt, besitzt das Geschäftsmodell. Den Podcastern exklusiv eine Riesenbibliothek an verwendbaren Songs zur Verfügung zu stellen gibt Spotify den vielleicht entscheidenden Vorteil im Rennen darum, wer in Zukunft die Referenz-Plattform für Podcasts ist. Deswegen ist Musik in Podcasts für Spotify ein Killer-Move.